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AutorenbildJürgen Justus

Vom Skeptiker zum Weltveränderer

In seinem Buch "Real Life: A Christianity Worth Living Out" nimmt uns James Choung mit auf eine faszinierende Reise, die zeigt, wie Glaube mehr als nur eine private Überzeugung sein kann – er kann der Motor für echten Wandel und tiefgreifende Lebensveränderung sein. Choung entwickelt das Konzept des Real Life Continuum, ein Modell, das den Weg von anfänglichem Zweifel bis hin zur Verantwortung als Weltveränderer beschreibt.


Das Real Life Continuum ist in fünf Phasen gegliedert: vom Skeptiker, der den Glauben kritisch hinterfragt, bis hin zum Weltveränderer, der in der Gesellschaft aktiv wirkt. Jede dieser Phasen ist ein Schritt auf dem Weg der Jüngerschaft, der nicht nur persönliches Wachstum, sondern auch ein tieferes Verständnis der eigenen Berufung fördert.


Im Folgenden betrachten wir diesen Weg im Detail und wie das Buch die Transformation „Vom Skeptiker zum Weltveränderer“ darstellt – ein inspirierender und praxisnaher Leitfaden für alle, die Jüngerschaft persönlich leben oder andere auf diesem Weg begleiten möchten.


1) Der Skeptiker: Zweifel und das Bedürfnis nach Vertrauen


In der ersten Phase des Real Life Continuum, dem Skeptiker, steht der Zweifel im Mittelpunkt. Ein Skeptiker ist jemand, der dem christlichen Glauben kritisch gegenübersteht oder ihm gar misstraut. Häufig haben Skeptiker Fragen und Bedenken gegenüber Religion im Allgemeinen und Christen im Besonderen. Diese können auf persönlichen Erfahrungen, intellektuellen Einwänden oder kulturellen Vorurteilen beruhen. Für einen Skeptiker ist der Glaube oft schwer fassbar, und er stellt sich Fragen wie: „Kann das wirklich wahr sein?“ oder „Warum sollte ich Vertrauen in eine Religion haben?“


Diese Zweifel zu verstehen und anzunehmen, ist entscheidend, um Skeptiker abzuholen. In dieser Phase ist es weniger effektiv, mit theologischen Argumenten zu überzeugen oder mit dogmatischen Erklärungen zu beeindrucken. Stattdessen geht es darum, eine authentische Beziehung aufzubauen. Vertrauen ist der Schlüssel, und es entsteht vor allem durch echtes Interesse und ehrliche Gespräche, bei denen der Skeptiker ernstgenommen wird. Christen können hier durch ihre Lebensweise und durch authentisches Zuhören zeigen, dass der Glaube nicht nur ein Gedankenkonstrukt ist, sondern ein aktiver Teil ihres Lebens.


Das Ziel in dieser Phase ist es, das Vertrauen eines Skeptikers zu gewinnen und ihm Raum für seine Fragen zu geben. Durch Geduld und Mitgefühl erleben Skeptiker, dass sie nicht zu etwas gedrängt werden, sondern dass sie die Freiheit haben, den Glauben auf ihre Weise und in ihrem eigenen Tempo zu erkunden.


2) Der Suchende: Neugier und die ersten Schritte des Glaubens


In der zweiten Phase, der des Suchenden, geht der Weg des Skeptikers weiter in Richtung Offenheit und Neugier. Ein Suchender hat das Vertrauen zu Christen und zur christlichen Gemeinschaft aufgebaut und möchte mehr über den Glauben erfahren, ist jedoch noch unentschlossen und nicht vollständig überzeugt. Der Suchende stellt tiefere Fragen wie: „Was bedeutet dieser Glaube für mich?“ und „Wie kann der christliche Glaube mein Leben bereichern?“


Diese Phase ist geprägt von einem bewussten Interesse, bei dem Suchende oft gezielt auf Gemeinschaft und auf Antworten auf ihre "spirituellen" Fragen suchen. Die Aufgabe der Gemeinschaft ist es, einen Raum zu schaffen, in dem Suchende sich wohl und willkommen fühlen und ihre Fragen ohne Urteil stellen können. Bibelstudien, offene Gesprächsrunden oder praktische gemeinschaftliche Aktivitäten wie gemeinnützige Projekte sind oft gute Möglichkeiten, um ihnen den Glauben näher zu bringen. Hier erfahren sie, dass der christliche Glaube kein starres Regelwerk, sondern eine lebendige Beziehung ist, die das Leben in allen Bereichen durchdringt und bereichert.


Für den Suchenden ist die Gemeinschaft ein wesentlicher Anker, der Orientierung und Sinn stiftet. Indem Christen ihre Türen und Herzen für die Suchenden öffnen, schaffen sie Gelegenheiten, durch die Suchende den Glauben in ihrer eigenen Zeit und auf ihre eigene Weise kennenlernen und erfahren können.


3) Der Nachfolger: Verbindlichkeit und spirituelle Vertiefung


In der dritten Phase, dem Nachfolger, hat die Person eine bewusste Entscheidung getroffen, Jesus zu folgen. Ein Nachfolger ist nicht länger nur interessiert, sondern aktiv dabei, seinen Glauben im Alltag zu leben und zu vertiefen. Diese Phase ist von Verbindlichkeit und einem Streben nach persönlicher geistlicher Entwicklung geprägt. Der Nachfolger stellt sich Fragen wie: „Wie kann ich Gottes Stimme hören und ihm gehorchen?“ und „Wie lebe ich meinen Glauben authentisch und konsequent?“


In dieser Phase ist das Ziel, den Glauben aktiv und bewusst zu gestalten. Nachfolger beginnen, sich intensiv mit der Bibel zu beschäftigen, regelmäßig zu beten und sich auf das Leben in einer christlichen Gemeinschaft einzulassen. Sie suchen nach Wegen, Gottes Führung im Alltag wahrzunehmen und seinen Willen zu erkennen. Geistliche Disziplinen wie Bibellesen und Gebet spielen eine wichtige Rolle, um das Verständnis des Glaubens zu vertiefen und ihn praktisch anzuwenden.


Hier zeigt sich der Wert von Begleitung und Mentoring durch erfahrene Christen. Diese Mentoren unterstützen Nachfolger darin, Herausforderungen zu meistern und geistliche Routinen zu entwickeln, die ihr Glaubensleben stärken. Es geht darum, nicht nur Wissen über Gott zu erlangen, sondern auch in der Beziehung zu ihm zu wachsen und den Glauben in konkrete Taten zu übersetzen. Für den Nachfolger ist diese Phase der Ausgangspunkt für eine tiefere und stabilere Beziehung zu Gott, die das Fundament für die nächste Phase bildet.


4) Der Leiter: Verantwortung und die Kraft der Führung


In der vierten Phase, dem Leiter, übernimmt der Gläubige Verantwortung für andere und beginnt, seinen Glauben auf eine Weise zu leben, die andere inspiriert und leitet. Ein Leiter ist jemand, der bereit ist, die Gemeinschaft und die Menschen darin aktiv zu unterstützen und sie in ihrem eigenen Glaubenswachstum zu begleiten. Diese Phase ist gekennzeichnet durch Fragen wie: „Wie kann ich andere im Glauben anleiten und unterstützen?“ und „Wie kann ich Verantwortung übernehmen und zugleich im Glauben wachsen?“


In dieser Phase lernen Leiter, ihre Stärken und Begabungen einzusetzen, um die Gemeinschaft zu bereichern und anderen ein Vorbild zu sein. Es geht darum, nicht nur zu führen, sondern auch die Fähigkeiten anderer zu fördern und Verantwortung zu teilen. Ein guter Leiter befähigt die Menschen um sich herum, ihre eigenen Stärken zu erkennen und einzusetzen, und fördert eine Kultur des Vertrauens und der Zusammenarbeit. Das Ziel ist es, Menschen zu ermutigen, selbst Verantwortung zu übernehmen, und die Gemeinschaft durch echte Hingabe und Mitgefühl zu leiten.


Leiter erleben in dieser Phase eine tiefere Dimension des Glaubens, indem sie ihren Einfluss nutzen, um andere auf ihrem Weg zu unterstützen und zu inspirieren. Diese Phase ist oft mit Herausforderungen verbunden, da Leiter lernen müssen, sowohl ihre eigenen Bedürfnisse zu pflegen als auch die Verantwortung für die Gemeinschaft zu tragen. Ein gesunder Leiter weiß, dass er in der Gemeinschaft wächst und dass die Unterstützung durch andere – sei es durch Mentoren oder gleichgesinnte Leiter – eine wichtige Ressource ist.

Für Leiter ist diese Phase eine Gelegenheit, den Glauben auf eine noch tiefere Ebene zu bringen, indem sie nicht nur für sich selbst, sondern im Dienst für andere wachsen.


5) Der Weltveränderer: Mit dem Glauben die Welt gestalten


In der fünften und letzten Phase, dem Weltveränderer, entfaltet sich der Glaube in seiner vollen Wirkkraft, indem der Gläubige aktiv versucht, die Welt um ihn herum zu gestalten und positiv zu beeinflussen. Ein Weltveränderer ist jemand, der sich dazu berufen fühlt, seine Talente, seine Leidenschaft und seinen Glauben zu nutzen, um gesellschaftliche und globale Veränderungen anzustoßen. Diese Phase stellt Fragen wie: „Wie kann ich meinen Glauben leben und die Gesellschaft positiv verändern?“ und „Wo kann ich am meisten bewirken, um Gottes Liebe und Gerechtigkeit zu zeigen?“


Der Weltveränderer sieht seinen Glauben als Berufung, die weit über den persönlichen Bereich oder die kirchliche Gemeinschaft hinausgeht. In dieser Phase bringen Menschen ihre Überzeugungen und Werte in jede Facette ihres Lebens ein – sei es in ihrem Beruf, ihrem sozialen Engagement oder in gesellschaftlichen Projekten. Sie setzen sich für soziale Gerechtigkeit ein, arbeiten gegen Ungerechtigkeiten und engagieren sich für Veränderungen, die das Leben vieler Menschen verbessern können. Für den Weltveränderer ist der christliche Glaube nicht nur eine Überzeugung, sondern eine Verantwortung, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.


Diese Phase ist der Höhepunkt der Jüngerschaft, da sie die Vision eines Glaubenslebens verwirklicht, das Gutes bewirkt und andere inspiriert. Ein Weltveränderer nutzt seine Energie, um nachhaltige positive Veränderungen zu schaffen und in allen Bereichen seines Lebens Zeugnis für seinen Glauben zu geben.


Zusammenfassung


Das Real Life Continuum beschreibt einen bemerkenswerten Weg der Jüngerschaft, der von anfänglichem Zweifel bis hin zur aktiven Mitgestaltung der Welt reicht. Die Phasen – Skeptiker, Suchender, Nachfolger, Leiter und schließlich Weltveränderer – bilden eine Entwicklung, bei der sich der Glaube in Stufen entfaltet und vertieft.


Jeder Schritt ist geprägt von wachsendem Verständnis, persönlicher Hingabe und dem Wunsch, den Glauben authentisch zu leben. Der Skeptiker beginnt mit kritischen Fragen und baut Vertrauen auf, der Suchende vertieft sich in die Glaubenspraxis, und der Nachfolger beginnt, den Glauben bewusst im Alltag umzusetzen. Als Leiter unterstützt er schließlich andere auf ihrem Weg und wächst im Glauben, indem er Verantwortung übernimmt. Im letzten Schritt, als Weltveränderer, lebt der Gläubige seine Überzeugungen voll aus und nutzt seine Talente, um die Gesellschaft zu beeinflussen und das Gute zu fördern.


Schluss


Aus meiner Erfahrung in Jüngerschaftsprozessen kann ich bestätigen, dass Jüngerschaft – so wie Jesus sie lebte – das Kernstück der Nachfolge ist, wie er sie sich gedacht hat. Nachfolge bedeutet nicht nur, regelmäßig den Gottesdienst zu besuchen, christliche Werte vorzuleben oder für Menschen zu beten. Vielmehr ist Nachfolge ein dynamischer Prozess, der uns dazu befähigt, andere zu Jesus zu führen und sie in ihrem Glauben wachsen zu sehen.


Wahre Nachfolge geht weit über das persönliche geistliche Leben hinaus und erfordert, dass wir Verantwortung für die Menschen übernehmen, die Gott uns anvertraut. Es bedeutet, anderen zu helfen, Jesus kennenzulernen und selbst so tief in ihrer Berufung zu verwurzeln, dass sie wiederum andere auf ihrem Weg begleiten können. Indem wir mit Menschen gehen, sie ermutigen und sie lehren, in ihre eigene Berufung zu finden, schaffen wir eine lebendige und nachhaltige Gemeinschaft im Glauben. So wird die Nachfolge zu einem fortlaufenden Kreislauf des Lernens, Lehrens und Wachsens, der die Kraft hat, Leben zu verändern und das Reich Gottes in die Welt zu tragen.



 

Quelle für den Artikel: Choung, James. Real Life: A Christianity Worth Living Out. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 2012.

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